top of page

Unsere Geschichte

Nur ein Wimpernschlag

… und ich habe meinen Sohn für immer verloren. Nur ein Wimpernschlag, nur ein Atemzug, nur ein Herzschlag und im Bruchteil einer Sekunde ist das Leben ein anderes - es ist vorbei. Nur ein Wimpernschlag und es folgte der Knockout meines Lebens. Die Nachricht erreicht mich mit der Wucht eines Tsunamis – der innerliche Zusammenbruch und es reißt mich zu Boden. Ein unmenschlicher Schmerz fährt wie ein Blitz durch meinen Körper und zerreißt mein Herz, noch nie in meinem Leben habe ich solche Schmerzen gespürt und nimmt mir die Luft zum Atmen. In diesem Moment geht auch ein Teil von mir. Der Boden unter meinen Füßen öffnet sich sprichwörtlich und im freien Fall falle ich in ein so unbekanntes dunkles Nichts, nicht zu wissen wann der Aufprall kommt. Jeden Tag hatte ich solche Angst dich zu verlieren und dann ist er da, dieser unerträglich unmenschliche Moment und katapultiert mich aus dieser Welt und dem Leben. Das Undenkbare und Unvorstellbare ist zur unfassbaren und brutalen Realität geworden. Immer wieder dieser innere und stumme Schrei: Nein, nein, nein, das kann nicht sein! Das muss ein Irrtum sein, du standest doch eben noch neben mir. Aber es ist kein Irrtum – ich habe dich auf so unfassbar tragische Art und Weise verloren – die Lebenskatastrophe! Das Schlimmste was einer Mutter passieren kann – ihr Kind zu verlieren. Die schlimmste Nacht meines Lebens, mein ganz persönlicher wahrgewordener Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Wie kann es sein, dass mein Herz weiterschlägt, wo doch dein Kämpferherz aufgehört hat zu schlagen? In diesem Moment, nach einer gefühlten Ewigkeit, als die Notärztin kopfschüttelnd auf mich zu kommt, hat sich meine kleine Welt aufgehört zu drehen – Stillstand. Eine neue Zeitrechnung beginnt mit nur einem Wimpernschlag und teilt mein Leben in ein Davor und ein Danach. In ein alles ohne dich und ein nie wieder mit dir! Ich bin da und auch nicht, stehe mitten drin und gleichzeitig ist alles so weit weg. Wie betäubt nehme ich alles war, wie von außen zusehend – alles ist so surreal, wie im falschen Film, stehe ich in Mitten diesem Großaufgebot von Einsatzkräften. Es ist kein schlechter Tatort – nein, ich bin mitten drin. Du hast dir das Leben genommen! Es ist passiert! Immer wieder im Kopf, sage ich mir: Nein, nein, nein, das kann nicht sein, das darf nicht sein! Timo, Timo, bitte komm zurück!! Lass mich nicht allein!! Unmenschlich, so unmenschlich. Ich möchte einfach nur sterben, jetzt sofort und nur bei dir sein. Man kann nicht glauben was passiert ist. Mit einem weiteren Wimpernschlag beginnt nun der Überlebenskampf. Der sofort eintretende Schock hilft, so sagt man, diesen Moment zu überleben. Der Autopilot setzt zeitgleich ein. Jeder Gedanke, jeder Schritt nun wie in Trance und ferngesteuert – ein nicht beschreibbarer Zustand. Die absolute Ausnahmesituation, Körper und Geist befinden sich im kompletten Notfallprogramm. Man kann keinen klaren Gedanken fassen und zeitgleich überschlagen sich die Gedanken, total neben mir stehend und fassungslos bewege ich mich als ich wieder auf den Beinen stehe. Nichts mehr ist in mir. Ich wusste bis dato nicht, dass man solche Schmerzen spüren kann, dass man spürt, wie einem das Herz bricht. Es ist alles so übermächtig, jede Stelle meines Körpers schmerzt. Ich friere, zittere stark und ununterbrochen laufen die Tränen und Nein, nein, nein, das kann doch nicht wahr sein – Tot. Wie mein Kind ist tot, mein Timo! Bis heute schaffe ich es kaum diese Worte auszusprechen. Mein Kind ist gestorben. Die müssen sich irren, das kann und darf nicht sein – und doch ist es so. Ich möchte zu dir und darf nicht! Sie lassen mich einfach nicht! Auf einmal hat man keine Rechte mehr, an seinem eigenen Kind! Du wurdest beschlagnahmt und die Kriminalpolizei steht vor einem. Man muss auf die „Freigabe“ der Staatsanwaltschaft warten, so heißt es. Erst dann, nach 5 endlos langen wartenden Tagen, durfte ich dich wiedersehen – nicht zu wissen was mich erwartet. Ein Warten auf ein letztes Wiedersehen, dass man sich so sehr wünscht und gleichzeitig so Angst davor hat. Keine Worte können nur im Ansatz beschreiben, wie es ist, sein Kind zu verlieren! Keine Worte nicht zu wissen was einen erwartet. Keine Worte sein Kind im Sarg liegen zu sehen. Keine Worte, die Beerdigung für sein Kind zu organisieren. Keine Worte sein Kind zu Grabe zu tragen. Unseren Schockmoment, die Trauer und unser Trauma wurden seitens Dritter zusätzlich verstärkt und erschwert, da man mit dem Tod meines Sohnes seitens der Polizei und der direkten Zusammenarbeit Dritter, alles andere als professionell umgegangen ist! So schlimm und so pietätlos, dass ich mir einen Anwalt zur Hilfe nehmen musste – und das in meiner Situation. In dieser Nacht ist alles falsch gelaufen, was hat nur falsch laufen können. Dies wurde auch seitens der Polizei so eingeräumt. Bis heute kann ich nicht verstehen wie die Polizei – „dein Freund und Helfer“, die Persönlichkeitsrechte meines verstorbenen Sohnes so verletzten und missachten konnte. Unter Schock stehend und schwer traumatisiert sitze ich irgendwann zuhause auf dem Sofa und habe keine Ahnung was nun zu tun ist, geschweige denn, wie es ohne dich nur weitergehen soll. Den traurigsten Blick habe ich in deinen Augen gesehen, den allertraurigsten Blick, als ich dich zum letzten Mal lebend gesehen habe. Nie werde ich diesen, deinen letzten Blick vergessen. Nie, diesen so unsagbar traurigen Blick – er ist eingebrannt! Nie werde ich deine letzten Worte und deine letzten Schritte vergessen. Als wir damals die Diagnose erhalten haben, hat es uns im wahrsten Sinne des Wortes, den Boden unter den Füßen weggezogen und ich sagte zu dir, dass wir das schaffen! Es braucht Zeit, aber wir schaffen das. Depressionen sind doch gut behandelbar, so heißt es doch. Und es begann der Kampf unseres Lebens und der Wettlauf gegen die Zeit! Du hast gekämpft und wie du gekämpft hast, jeden verdammt einzelnen Tag. In der Zeit, in der ich eine Unwissende war und in der Zeit, in der du mich hast mit dir kämpfen lassen. Ich habe es gesehen, gespürt und vermag mir nicht deine inneren Kämpfe vorzustellen. Wie furchtbar muss es für dich gewesen sein, so eine schwere Diagnose zu erhalten, so jung und noch sein ganzes Leben vor sich habend. So standen wir unwissend, überfordert, verzweifelt und ohnmächtig dieser Diagnose gegenüber. Auch dem, was das wirklich bedeutet, mussten wir binnen Sekunden versuchen zu erfassen. Nachdem wir die Diagnose erhalten haben, musste ich dich direkt in die Klinik bringen. Benebelt von der Diagnose schießen tausende von Gedanken durch meinen Kopf. Warum habe ich nichts gemerkt? Wie kann das sein? Was kann ich jetzt tun? Wie kann ich jetzt helfen? Wird uns geholfen? Nach vielen Enttäuschungen, hatten wir keine Erwartungen mehr. An jeden Strohhalm haben wir uns geklammert und haben nur noch in Minischritten gedacht. Schwer zu erkranken ist das eine, gute Ärzte und die passenden Therapien zu finden, das Andere. Leider war das Glück auch hier nicht auf unserer Seite. Oft waren wir auf uns alleine gestellt. Deine Geduld wurde mehr als auf die Probe gestellt. Und dabei immer dieses Warten. Damals hatte ich von der Erkrankung der Depression gehört und wusste auch, dass diese tödlich enden kann. Doch was die Erkrankung wirklich bedeutet, wusste ich nicht und hat uns auch keiner gesagt. Bis dato habe ich mich noch nie so hilflos und allein gelassen gefühlt. Mit viel Selbstrecherche und zahlreichen Büchern habe ich mit dem Thema auseinandergesetzt. Habe mich ans Telefon geklemmt und versucht, für dich, jegliche Hilfe zu bekommen, die möglich war. Sein Kind so leiden zu sehen, nicht helfen geschweige denn abnehmen zu können, zu sehen, dass Besserung ausbleibt, lässt einen so ohnmächtig und hilflos der Situation gegenüber stehen. Ein Gefühl so schwer auszuhalten. Es nimmt einem die Luft zum Atmen und lässt das Herz bluten. Eine Mutter kämpft für ihr Kind, egal wie alt es ist. Sie versucht alles und es werden Kräfte frei gesetzt, von denen sie selbst nicht wusste, diese zu haben. Und eine verwaiste Mutter kämpft für ihr Kind auch über den Tod hinaus! Nichts und niemand konnte meinem Sohn helfen, selbst ich nicht. Jeden Tag habe ich dich ein Stückchen verloren und habe gesehen wie du dich selbst verloren hast. Liebe allein, rettet leider kein Leben! Der Tod meines Kindes hat mich gebrochen und ich weiß nicht, ob ich eines Tages akzeptieren kann, dass diese monströse Krankheit dich mir genommen hat. Depressionen kann man versuchen zu erklären, aber nur der, der selbst erkrankt war/ist, weiß was es bedeutet und wie furchtbar und unberechenbar diese Erkrankung ist. Es ist eine unsichtbare Erkrankung gegen einen unfairen und unberechenbaren Gegner. Eine Erkrankung wo so viele Menschen voreingenommen sind und diese belächeln. Eine Erkrankung, der man nicht die Akzeptanz, Anerkennung und Toleranz, wie anderen schweren Erkrankungen entgegenbringt. Es muss endlich ein Umdenken erfolgen! Jeder geht mit einer Selbstverständlichkeit durchs Leben, das Glück zu haben gesund zu sein. Es ist keine Selbstverständlichkeit – keine, dass es so ist und keine, dass es so bleibt. Nur wenige Wochen vor deinem Tod, hatte ich in einer Spezialklinik vorgesprochen, Schwerpunkt Therapieresistenz. Ich weiß noch, wie ich mit dieser Dame diskutieren musste, sie geradezu angefleht habe dir einen zeitnahen Termin zu geben. Sie darauf bestand, dass du dafür selber anrufen musst, und ich ihr klar machen musste, dass es dir dafür zu schlecht geht und du jetzt Hilfe brauchst. Sie auch meinte, dass es ja noch keine Zeit sei. Ich sie immer wieder gebeten habe uns doch bitte einen Termin zu geben und die Entscheidung doch bitte einem Arzt zu überlassen. Wir konnten uns auf eine Warteliste einigen. Sie rief nur wenige Tage nach deinem Tod an, dass sie nun einen Termin haben und ich entgegnete ihr, dass es nun zu spät sei – Schweigen in der Leitung. Wir hatten alles durch, stationäre Aufenthalte, die ambulante Behandlung mit Arztwechsel, Tagesklinik, alle Antidepressiva mit Höchstdosis und einem zusätzlichen Medikament, was sehr vielversprechend war. So hieß es, ein sehr wirkungsvolles Medikament, welches das Suizidrisiko senken und die Wirkung der Antidepressiva verstärken sollte. Selbst die Entscheidung ein starkes Antidepressiva zu nehmen ist alles andere als einfach. Der Beipackzettel ist heftig. Unabhängig davon braucht es Wochen bis eine Wirkung eintritt, Zeit die man in diesem Moment nicht hat und die Erstverschlimmerung ein erhöhtes Suizidrisiko mit sich bringt! Um nur eine Nebenwirkung zu nennen – und trotzdem haben wir uns dafür entschieden und es probiert. Leider haben dir all die verordneten Medikamente in den fast 2 Jahren nicht dein Leben retten können, geschweige denn geholfen. Dafür hast du all die Nebenwirkungen zu spüren bekommen. Ich weiß nicht, ob ich dich ohne die Medikamente früher verloren hätte. Ich weiß nur, dass sich die erhoffte Wirkung nicht eingestellt hat. Du sagtest mal zu mir: Es gibt keine guten Tage mehr, nur schlechte, beschissene und ganz miese Tage! Und wie mies es dir von Tag zu Tag ging, habe ich gesehen. Und ich mag mir nicht vorstellen wie es wirklich in dir ausgesehen hat. Wir haben uns die Nächte um die Ohren geschlagen, lagen uns in den Armen und haben zusammen geweint. Du konntest nicht erklären warum es dich nach oben zieht und hattest selbst eine große Angst davor uns zu verlieren. Du meintest, du leidest lieber weiter, bevor wir leiden müssen! Die Zeit spielte gegen uns. Es ging dir immer schlechter. Du hast dich mir anvertraut, mich tief blicken lassen und mich immer gefragt, ob ich es packe. Selbst da wolltest du mich noch schützen und dich hinten anstellen! Ich sagte dir immer, dass ich immer für dich da bin, ich mit dir kämpfe und ich wissen muss wo dran ich bin und ich dir sonst nicht helfen kann. In meinen schlimmsten Träumen vermochte ich mir nicht vorzustellen, wie es wirklich in dir ausgesehen haben muss. Denn nur von dem woran du mich hast teilhaben lassen, hat mir mit jedem Wort mein Herz geblutet und den Atem stocken lassen. Ich dachte immer, es gibt kein schlimmeres Gefühl als dem Ganzen so machtlos, ohnmächtig und hilflos gegenüber zu stehen, dich so leiden zu sehen und zu hören und der Situation so ausgeliefert zu sein - bis zu der Nacht, in der du dir versucht hast dein Leben zu nehmen! Auch danach hast du dich mir anvertraut und versucht zu erklären, was in diesem Moment, des Suizid-Impulses passiert. Die Angst danach um dich unbeschreiblich groß und dennoch begleitet von einem kleinen Funken Hoffnung, dass wir es schaffen. Wir müssen es einfach schaffen! Ich habe keine Worte dafür die den Zustand danach beschreiben können. Die ständigen Frage im Kopf WIE ich dir nur helfen kann? Der Gedanke sein Kind zu verlieren unvorstellbar.... und doch ist es passiert! Du hattest die Hoffnung und den Glauben in alles verloren, deine negativen Gedanken habe dir den Blick auf alles genommen. Alles war nur noch eine Qual, unsagbar schmerzhaft, ausweglos, sinnlos und in nichts hast du mehr einen Sinn gesehen. Du hast dir gewünscht, einfach nicht mehr aufzuwachen! Du wolltest nie sterben, konntest so aber nicht mehr leben! Ich weiß noch, wie du zu mir sagtest, dass es immer schlimmer wird. Und du dir wünscht, dass es endlich aufhört. Du sagtest: I am lost! Dir könne eh niemand und nichts mehr helfen, du hast die Hoffnung aufgegeben. Wir haben geredet und ich habe versucht dir in deiner Hoffnungslosigkeit Hoffnung zu geben und die Ärzte hinzugezogen… Niemand der es selbst nicht erlebt hat, kann es sich nur im Ansatz vorstellen, wie es ist, wenn man in die Augen seines Kindes sieht und nicht helfen kann. Wenn man gefragt wird, warum nichts hilft oder zumindest Linderung bringt und man keine Antwort darauf hat. Wenn man an einem Punkt ist, wo man alles probiert hat und der Arzt einem sagt, dass man therapieresistent ist, quasi austherapiert ist! Und einem somit das letzte bisschen Hoffnung nimmt, dass man vielleicht noch hatte. Oder man einem zu dem letzten verschriebenen Medikament eine Deadline gibt, bis wann das Medikament anschlagen sollte und wenn nicht, man dann auch nicht mehr weiter wisse! Nicht einen Tag seit du gegangen bist, war ich nur einen Moment wütend auf dich. Wie könnte ich nur! Es tut mir alles so unendlich leid. Ich bin wütend auf diese Krankheit und auf die Umstände, die dir widerfahren sind und darauf, wie sehr du leiden musstest. Wie es sich angefühlt haben muss, wenn einem nur bedingt geholfen werden kann, geschweige denn überhaupt Linderung eintritt. Wie sehr musst du getrauert haben? Wie muss es für dich gewesen sein zu wissen, uns zu verlieren und dass es kein Morgen für dich geben wird? Wie furchtbar muss das alles für dich gewesen sein? Wie unfassbar traurig warst du nur und wie unmenschlich war dein Schmerz? Wie furchtbar dein letzter Moment? So einsam bist du gegangen… Es sollte mal unser Herzensprojekt werden. Es lag dir sehr am Herzen und war dir so wichtig, gegen das Tabu und das Stigma der Depression versuchen weiter anzukämpfen, dass sich noch mehr ändert, aber auch zu sensibilisieren und versuchen eine Offenheit zu schaffen. Das Depressionen eine ernste und schwere Erkrankung sind und nichts damit zu tun haben, dass man einen „an der Klatsche“ hat oder zu schwach und zu faul ist. Mein Sohn beschrieb es mal so, es ist wie wenn du ständig im Treibsand läufst und egal wieviel Kraft du aufwendest, du kommst nicht vorwärts, Kraft, die zudem einfach nicht mehr da ist! Du bist immer so mutig, tapfer und sehr offen mit deiner Krankheit umgegangen und hast dafür leider sehr einstecken müssen. Verletzende Aussagen, Ratschläge, diese Blicke, Vorurteile, Schubladendenken, unschönes und verletzendes Verhalten, aber auch diese Unwissenheit. Als Unwissender sollte man sich mit Bedacht äußern und nicht urteilen ohne sich zuvor informiert zu haben. Und der ein oder andere sich sogar von dir abgewendet hat. Du hättest dir so viel anders gewünscht und ich mir für dich. Konntest viele Reaktionen und Verhalten nicht verstehen und auch nicht, warum sich der ein oder andere nicht mal versucht hat damit auseinanderzusetzen. Jeder googelt alles, sagtest du, aber das, danach googelt niemand, versteh´ ich nicht – ich würde es machen, wenn es mein Freund wäre. Alle diese Reaktionen haben viel mit dir gemacht. Du hast dich immer gefragt, warum psychische Erkrankungen noch lange nicht den Platz in unserer Gesellschaft haben, den es bräuchte. Und warum sich bei Krebs jeder was drunter vorstellen kann und man Erkrankten so anders begegnet. Man kann doch versuchen gegen seine Unwissenheit was zu tun, wenn man das möchte. Hast mich angeschaut und sagtest, keiner versteht mich so wie du. Wir haben den Kampf gegen die Monsterkrankheit Depression verloren! Jetzt ist es „mein“ Herzensprojekt – es bleibt immer unser Herzensprojekt! Nun bin ich eine verwaiste Mama, eine Hinterbliebene und Überlebende die versucht, in diesem Danach und neuem Sein, ihre unbekannte Stimme zu erheben und in deinem Namen – für das Tabu Depression und für das Tabu Suizid einzustehen! Ich hätte mein Leben für deines gegeben, aber ich habe die Chance zu tauschen leider einfach nicht bekommen. Nie werde ich deinen Zusammenbruch daheim vergessen – du hast mich so so fest umarmt, so dass ich jede deiner Fingerkuppen spürte, so so fest, dass ich deine Verzweiflung und deinen Schmerz spüren konnte. Deine wenigen und so ausdrucksstarken Worte: Es ist so schlimm, so so schlimm, ich kann nicht mehr! Auch ein Kämpferherz hat irgendwann keine Kraft mehr! Ich habe nicht vor Jeden zu erreichen, das schafft man gar nicht, nur die Richtigen! Es wird immer die geben, die von ihrer eigenen Meinung nicht abweichen und denken unverwundbar zu sein. Und die, die beratungsresistent sind. Ich möchte lernen, verstehen und helfen. Möchte was bewegen, auch wenn ich nur eine kleine Stimme habe. Aber wer schweigt und nicht versucht, kann nichts ändern. Es ist nun meine Lebensaufgabe! Für dich mein Kämpferherz und für alle die, die kämpfen und für all diejenigen die den Kampf viel zu früh verloren haben! Es hat sich schon viel getan, Ja – aber lange nicht genug! Es ist ein endloses Thema und es bedarf noch an so Vielem! Kein Betroffener sollte seine Erkrankung verstecken müssen. Kein Betroffener sollte auf Hilfe warten müssen. Auf einer Warteliste zu stehen, ist Zeit, was ein Erkrankter nicht hat. Ein Beispiel, aktuell beträgt die Wartezeit mindestens 24 Wochen für einen Therapieplatz bei einem Psychologen. Ich möchte alles über diese so komplexe Erkrankung, ihre verschiedenen Therapiemöglichkeiten und aktuelle Studien und Forschungsprojekte zu neuen und verbesserten Therapiemöglichkeiten lernen, wie auch z.B. das Thema des Hirnschrittmachers, ein Hoffnungsschimmer für chronisch Depressive und therapieresistenter Depression. Verfolge klinische Studien die veröffentlich werden, welche gute Erfolge bei behandlungsresistenter Depression verzeichnen, wie z. B. bei der Ketamin-Therapie, wo es großes Für und Wieder gibt und nicht umunstritten ist. Ein neuer Ansatz - personalisierte Medizin gegen Depression - ist es mit Biomarkern individuelle Diagnose- und Therapiewege zu finden. Dies funktioniert bereits in der Onkologie und soll auch in der Psychatrie möglich werden. Verschiedene laufende Forschungsprojekte gibt es natürlich bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und hier möchte ich mit der ersten Spende unterstützen! Als verwaiste Mutter, werde ich dafür kämpfen und mich dafür einsetzen, dass die Erkrankung Depression noch mehr in unserer Gesellschaft angenommen und anerkannt wird. So wünsche ich mir, dass sich Betroffene nicht dafür schämen müssen erkrankt zu sein und sich nicht mehr verstecken müssen. Aber auch, dass wir Hinterbliebene uns nicht verstecken müssen. Wünsche mir ein Netz das auffängt, schnellere und bessere fachliche Hilfe und Unterstützung bietet. • Ich wünsche mir Akzeptanz und Toleranz, sowie Respekt und Empathie für alle Betroffenen anstatt Diskriminierung • Ich wünsche mir einen offenen und respektvollen Umgang mit diesem Thema • Ich wünsche mir, wirksame Therapiemöglichkeiten bei schwerer und bei therapieresistenter Depression • Ich wünsche mir bessere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen • Ich wünsche mir, dass das Thema Einzug in Schulen erhält und hier schon die erste Aufklärung stattfindet. • Ich wünsche mir noch mehr Aufklärungsarbeit, angefangen bei den Symptomen • Ich wünsche mir, dass die Forschung weiter vorankommt, neue Therapien und Behandlungsmethoden zur Behandlung von Depressionen zu entwickeln und das Wissen über die komplexe Erkrankung noch weiter wächst, um Betroffenen noch besser helfen zu können. Leider wird die Forschung hier bislang mit weniger Geldern unterstützt als bei der Forschung anderer Krankheiten • Ich wünsche mir einen Spendenfond aus dem Erkrankte finanzielle Unterstützung erfahren dürfen (z.B. die Medikamente sind teuer) • Ich wünsche mir mehr Therapieplätze und dass man schneller Hilfe bekommt, auch als Kassenpatient • Ich wünsche mir Verbesserungen in den Kliniken • Ich wünsche mir ein Auffangnetz, ein Notfallprogramm für Betroffene • Ich wünsche mir, dass wenn man Hilfe braucht, diese auch bekommt • Ich wünsche mir Hilfe für Angehörige Es ist ein endloses Thema und es gäbe noch so viel zu sagen. Erwähnen möchte ich noch, dass es leider so einige Bereiche gibt, wo Betroffene, aufgrund ihrer Erkrankung ausgeschlossen und benachteiligt werden und es ihnen noch schwerer gemacht wird. Ein kleines Beispiel möchte ich anfügen. Jeder junge Mensch hat unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 25. Lebensjahr Anspruch auf Kindergeld. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein junger Mensch studiert. Liegt eine psychische Erkrankung vor, so hat man keinen Anspruch auf Kindergeld, auch nicht wenn man hier aufgewachsen ist und seine Ausbildung beendet hat. Bis heute ist alles so unwirklich und ich kann immer noch nicht glauben was passiert ist. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, dass ich das erste Jahr überlebe. Es gibt keine Worte, die nur im Ansatz beschreiben könnten, wie es war und bis heute ist, aber auch was es mit einem macht. Es ist die tägliche Prüfung! Schwerstverwundet bleibe ich zurück, mit einer für euch unsichtbaren Wunde und einem für euch unsichtbaren Rucksack, den ich täglich lerne zu tragen. Für mich ist es „ein Leben“ in zwei Welten. Die frühere Welt und die meinige Welt, wo ich Trauer tragen darf, nicht funktionieren muss und meine Maske ablegen darf. Gerade in der ersten Zeit ist es nur sehr schwer zu ertragen, wenn die eigene Welt im Stillstand ist, wie schnell und erbarmungslos sich die Welt für euch einfach weiterdreht. Es bleibt kein Raum für was anderes, es braucht den ganzen Raum und einen anderen Gedanken zu fassen, ist gar nicht möglich. Unser so tragischer Verlust und die damit übermächtigen Gefühle bringen uns an unsere menschlichen Grenzen – an alle Grenzen. Und das Wenige was geht, selbst das geht nur unter größter Kraftanstrengung. Gefühlt wurde mir der „Stecker gezogen“. Die ersten Schritte in diesem Danach waren nur im Schneckentempo machbar und mit größter Mühe schaffte ich es mich auf den Füßen zu halten. Mein Autopilot hat mich bis heute dahin gebracht, wo ich heute stehe. Ich kann es selbst kaum glauben und auch nicht sagen, wie ich es bis hierher geschafft habe. Es scheint, als wäre auf mein Autopilot verlass, auch wenn so manches Notstromaggregat angeschmissen werden musste. Ich habe gelernt in der früheren, euren Welt zu "bestehen". Die Zeit zeigt einem Daten und doch fühlt sich alles so anders an. Der Schmerz ist bis heute überwältigend und gehört zu mir, so wie meine Trauer. Mutterliebe endet nie! Mit jedem Tag wird das Vermissen und die Sehnsucht nur größer. Alles erinnert mich an dich und jede Situation lässt mich dich so schmerzlich vermissen. Sobald ich die Haustür verlasse, wird mir der Spiegel des Lebens vorgehalten. Ein Leben dem ich nicht mehr zugehörig bin. Trauer kann man nur versuchen zu beschreiben, sie verstehen kann nur derjenige, der sie selbst erlebt hat. Alles, einfach alles erinnert an dich. Du fehlst mit jedem Atemzug, mit jedem Herzschlag, mit jedem Schritt und in jedem Moment. Einfach immer! Noch nie in meinem Leben habe ich solche Schmerzen gespürt, habe ich mich so leer gefühlt, noch nie habe ich mich so verlassen gefühlt, noch nie so allein und einsam, noch nie so verletzlich, noch nie so planlos, noch nie so verloren, noch nie so kraftlos und erschöpft, noch nie in meinem Leben hab ich solch eine Sehnsucht gespürt, noch nie in meinem Leben habe ich so vermisst, mich so schuldig, hilflos und unverstanden gefühlt. Und der ständigen Frage wie es ohne dich nur weitergehen soll stellen müssen. Es ist so unendlich schwer ohne dich und seinen neuen Platz in diesem Danach zu finden. Gibt es ihn überhaupt? Bis heute strengt mich alles sehr an und ich bin schnell erschöpft und lange nicht mehr so belastbar wie ich es früher war. Man muss so vieles wieder neu lernen. Ich brauche viel Ruhe und schaue auf meine Me-Time. Man kann sich nicht vorstellen was all die ersten Male ohne unser Liebstes von uns abverlangen. Und hier meine ich jetzt nicht die besonders schweren Tage. Ich meine, wie es ist, das erste Mal das Haus zu verlassen, das erste Mal auf den Friedhof zu gehen, das erste Mal einkaufen zu gehen … alles, einfach alles, fühlt sich so falsch an. Teilen möchte ich mit euch den Moment, als ich zum ersten Mal danach zum Bäcker „musste“. Neben mir stehend und in diesem nicht beschreibbaren Zustand in dem man sich befindet, laufe ich langsam und kraftlos auf den Bäcker zu. Man will da nicht rein und irgendwie muss man ja. Alles sträubt sich in mir. Gefühlt starren mich alle an, aber das nehme ich gar nicht so war, denn da liegen sie, diese Schokocroissants in der Auslage, die du so gerne gegessen hast. Es sind doch nur Schokocroissants. Warme Tränen laufen mir über die Wangen. Deine Schokocroissants. Schokocroissants, die ich dir nun nie wieder mitbringen kann! Ich muss mich innerlich sehr zusammenreißen, dass ich nicht heulend aus dem Laden renne. Gebe meine Bestellung auf, nun für zwei und nicht mehr für uns Drei! Es fühlt so falsch an und tut so schrecklich weh. Bezahle und sitze dann fix und fertig im Auto. Ja, so schwer ist „nur“ ein Gang zum Bäcker und wird mit dem zweiten Gang nicht leichter… Und dann sind wir so mutig und stellen uns dem allen so tapfer und wenn das alles nicht schon herausfordernd genug für uns ist, gibt es sie, diese Blicke, diese unausgesprochen und ausgesprochenen Worte, wie Sprechblasen über den Köpfen. Das ist die Mutter von…, die unzähligen Straßenseitenwechsel, das Verstecken hinter Päckchen in der Post und hinter Regalen beim Einkaufen, bis hin zum Verlassen des Ladens, sobald man ihn betritt. Oder so zu tun, als wenn man einen erst gar nicht sieht und man denkt, wir merken das nicht. Man gemieden wird, als hätte man eine ansteckende Krankheit… Unsere ganze Geschichte werde ich hier nicht niederschreiben, dafür bräuchte es ein Buch. Und ein Buch werde ich nicht schreiben und dennoch möchte ich versuchen einen „Einblick“ zu geben. Abschließend ist es mir noch wichtig zu sagen, dass ich hier bewusst aus meiner Sicht und aus meinem Empfinden schreibe und mein Sohn mich darum gebeten hat nicht genannt zu werden und auch nicht zu Wort kommen möchte. Was ich total verstehe! Ich möchte Timos Bruder schützen und respektiere seine Privatsphäre. Er ist natürlich in alles miteinbezogen, hat mitentschieden und abgesegnet. Mein Kämpferherz, du wirst hier unendlich vermisst! Für dich und deinen Bruder kämpfe ich weiter! Du bist mein erster und mein letzter Gedanke. Deine dich über alles liebende und vermissende

Mum

20200712_184847.jpg
bottom of page